Kanon V

„Es kann nur Ordensritter werden, wer die Knappenzeit (welche von Person zu Person unterschiedlich sein soll, maximal aber 5 Jahre lang, denn dies ist des Herrn heilige Zahl) beendet hat und von seinem Mentoren und Lehrmeister als würdig erachtet wurde und wer Busse getan und die Heiligtümer besucht hat, welche zu Punin bewahrt werden. Dabei möge er die Pilgerfahrt in gottgefälliger Weise verrichten und in Stille einkehren in die Heiligen Hallen.

Den Ritterschlag aber erhalte er am 5. Boron zu Garrensand von seinem Lehrmeister in Anwesenheit des Großmeisters.

Die Tracht des Ordens ist für den Ritter Golgaris der weiße Wappenrock, den Jahreszeiten anzupassen, mit dem schwarzen Ordenswappen über der Brust, darunter die schwarze Rüstung. Das Zeichen seines Standes aber sei der Weiße Mantel. Diesen Mantel hat sich der angehende Ritter selbst zu sticken während seiner Zeit in der „Kammer“ und erst wenn er ihn beendet hat und er von seinem Oberen anerkannt wird, möge er den Ritterschlag erhalten. Den Mantel trage er nur bei wichtigen Anlässen (…)

Er besitze auch das Recht, den Weißen Schild mit dem Ordenswappen drauf zu tragen. Die zu führenden Waffen mag er selbst wählen, allein den Rabenschnabel hat er stets bei sich zu führen und beachte entschieden die Heiligkeit der gewählten Waffe und verdamme Gift, Tinkturen und Zauberei, denn das Leben darf nur durch seine eigene Hand, die der allmächtige Herr des Jenseits lenkt, nehmen und schenken und niemand einen unehrenhaften Tod zufügen, denn es soll ein gerechter, gottgewollter sein.

Sein Status innerhalb der Puniner Kirche sei aber diejenige eines „Boronkriegers“, ihm gebühre die Anrede „Ew. Ehren“. Ihm stehen nunmehr sämtliche Ämter und Würden des Ordens offen, ausgenommen diejenigen des „Schwingenträgers“, so der Ritter kein Diener oder Deuter Golgaris sei (...)

Der Ritter besitzt das Vorrecht, einen Knappen auszubilden und zu gegebener Zeit in Anwesenheit des Großmeisters in den Ritterstand zu erheben. Ausserdem sei er nunmehr ein Mitglied des Konsistoriums, wo er bemäntelt zu erscheinen hat (…).

 

In diesem 5. Kanon werden zum ersten Mal die wichtigsten Mitglieder des Ordens beschrieben, die Ritter Golgaris. Erwähnenswert ist besonders die Tatsache, dass es eine Zeit in der Ordensgeschichte gab, wo nur Adlige dem Ritterstand angehören konnten, sowie Geweihte des Herrn Borons. Unter Borondria wurde dieser Verstoß gegenüber den Geboten der Kirche ("Vor Boron sind alle gleich") wieder abgeändert, so dass heute ein jedem, unabhängig seines Standes, der Weg zum Ritter Golgaris offen steht. Alle Ritter haben es aber gemein, dass sie innerhalb der Puniner Kirche den Status genießen, wie es die Consortis in unserer Kirche tun.

Dass der Orden ausdrücklich Giftgebrauch verurteilt, ist löblich. Dass er aber auch die Alchimie und die Zauberei verbietet ist zwar weniger schön, doch wahrscheinlich notwendig, obwohl die Boronkirche bisher noch nie Anstalten gemacht hat, sich ähnlich wie die Kirche des Götterfürsten aufzuführen. Inwieweit diese Magieablehnung also geht, ist ungewiss.

Der Kanon (sowie die folgenden zwei) trägt deutlich die Züge der Neustrukturierung des Ordens, die damals unter Lucardus begann und von Borondria beendet wurde. Die Verhältnisse zu den adligen und den geweihten Mitgliedern im Orden wird klar geregelt, obwohl es einige Textstellen gab, wo ich doch viel drum gegen hätte, das Original der „Lex Boronia“ in den Händen zu halten.

Die Tatsache, dass der weiße Ordensmantel das eigentliche Standeszeichen der Ritter ist, erinnert doch stark an die Tradition der Thorwaler und ihrer Swafnirpriester, die einen Kriegsmantel mit ähnlichen Funktion kennen. Oder wie in der „Lex Boronia“ festgehalten wird:

„(…) Der Weiße Mantel ist das Symbol der Reinheit und der Gnade Marbos; denn wie Boron der Herr des Vergessens ist, so sei alles Üble und Schlechte vergessen, wenn der Ritter dem Orden vollends beitritt (…)“

Darum also tragen die Ritter Golgaris zum Zeichen der Reinheit den Mantel, bevor er den Segen der Kirche empfängt. Es stehen schwere Strafen auf das unberechtigte Tragen des Weißen Mantels (...)  Ein Ritter ohne Mantel ist im Range einem Knappen gleich und verliert sämtliche Ämter, die er  innehat, bis er die Erlaubnis erhält, ihn wieder anzulegen. "

Natürlich kann der Orden nicht das Tragen eines allein weißen Mantels seinen Rittern vorbehalten; es ist darum vielmehr der Weiße Mantel, mit den Symbolen des Ordens und der Puniner Kirche bestickt gemeint. Ist das unberechtigte Tragen des Mantels unter Strafe gestellt, so stellt der Entzug dieses Privilegs selbst eine Strafe für den Ritter dar.

Ein weiteres deutliches Zeichen dafür, dass der Orden seine Ursprünge im Adel zu suchen hat, ist diese Herstellung des Mantels in der „Kammer“, die stark derjenigen Praktik ähnelt, wie sie die Kirche des Götterfürsten anwendet bei seinen Novizen.

Zu dieser „Kammer“ konnte ich folgende Aussage aufschnappen:

"Gestern haben sie den (…) in die "Kammer" gesteckt. Nach zwei Stunden haben sie ihn aber wieder rausgeholt, den Weichling. Er hat geschrieen und getobt, bloß weil's da drin ein wenig stille ist. Aber die paar Stunden sind doch ein Klacks, der soll ja nicht meinen, er wär schlimm dran. Bei mir haben sie letztens die Lampe mitgenommen. Da saß ich nun und konnt' nicht sehen noch hören...."

 

Die Kammer ist ein Raum, der meist tief unter der Erde angelegt fast völlig geräusch- und lichtlos ist. Eine harte Prüfung, bei der der angehende Ritter völlig allein ist mit sich und den Abgründen seiner Seele. Nebst dieser Zeit der völligen Einkehr muss es der angehende Ritter schaffen, im Halbdunkel oder gar in völliger Dunkelheit seinen Wappenmantel herzustellen.