Vorwort

Ordenswappen

 

Der Ewige Orden

 

 

Eine Studie des Hesindetempels zu Kuslik, erstellt von Thuan Melior, Geweihter der Göttin, auf Basis der Abhandlung „Schwert & Rabenschwinge“ von Selphyr Sunderglast, Geweihter der Göttin, aufbewahrt in der Gelehrsamen Stube der Halle der Weisheit zu Kuslik, verfasst im 1023ten Jahre nach dem Falle des hundertürmigen Bosparans, laufend ergänzt und korrigiert

 

Werte Leser,

Ich kann mich noch so gut daran erinnern, dass ich manchmal denke, es wäre erst gestern gewesen, als ich auf den Straßen im Neuen Reich wandelte und einem einzelnen Reiter begegnete. Solch ein Krieger war mir noch nie untergekommen. Über seiner geschwärzten Rüstung war ein weißer Wappenrock geworfen, auf welchem ein höchst bemerkenswertes Wappen prangte, ein schwarzes gebrochenes Rad und darüber ein ebenso schwarzes, ausgebreitetes Schwingenpaar. Er war ein stattlicher Krieger, sicherlich um die zwei Schritt groß und trug sein Haar kurz geschoren. Um die Leibesmitte trug er einen Gürtel, an welchem ein Rabenschnabel baumelte, jene Hiebwaffe, welche die leichte Reiterei gerne einzusetzen pflegt, allerdings eher in den südlichen Gefilden, als hier, in den Koscher Landen. Was mich aber faszinierte war, dass er nicht dieses strahlend Weiße, Ruhmreiche und Tapfere ausstrahlte, anders als die vielen Recken, die im Namen der Leuin stritten. Ja, ich würde sogar noch weitergehen, es war, als hätte mich ein Blitz getroffen. Ich war paralysiert, konnte mich nicht rühren, und als ich den Reiter ansprechen wollte, blieben mir die Worte im Hals stecken, so mulmig war`s mir. Etwas düsteres ging von ihm aus, etwas Ehrfurchtgebietendes, dass mich sofort in seinen Bann zog. Still und gedankenverloren, den Blick nach vorne gerichtet, mit ernster Miene ritt er an mir vorbei.

Das Mysterium rund um diesen geheimnisvollen Reiter, der sich, dem Wappen nach, der Boronkirche verpflichtet fühlte, beschäftigte mich den Rest meines Weges. Als ich wieder in Kuslik weilte, verbrachte ich zahlreiche Stunden, ja Tage in der Gelehrsamen Stube, um mehr über diesen Reiter herauszufinden. Lange war es mir nicht vergönnt, auch nur einen kleinen Teil des Rätsels zu lösen, die Göttin hatte mir eine wahre Knacknuss gestellt. Doch dann fiel mir per Zufall eine Abhandlung in die Hände, die mein geschätzter Collega Selphyr Sunderglast verfasst hatte, über einen Neugegründeten Orden des Heiligen Golgari. Die Beschreibung der Ordensmitglieder deckte sich mit meiner Begegnung und so las ich die Schrift, das Wissen, das daraus hervorging, förmlich in mich aufsaugend. Leider hatte mein Collega seine Abhandlung nicht ganz beendet, er war auch nicht mehr in der Halle der Weisheit zu finden, sondern hatte sich schon wieder Anderem zugewandt.

In mir aber hatte die Göttin ein Feuer entfacht, welches ich bis heute nur mühsam zu bezähmen weiss. Ich wollte mehr über jenen geheimnisvollen Orden wissen, der scheinbar aus dem Nichts entstanden war. So traf ich meine Reisevorbereitungen und reiste zurück in die Provinz Kosch, wo sich das Hauptkloster des Ordens befindet.

Ich weiss noch heute nicht, ob es einfach nur Glück war oder ob es die Götter so fügten, aber nachdem ich meine Bitte vorgetragen hatte, nämlich eine Weile lang im Kloster verweilen zu dürfen und eine Studie über den Orden zu verfassen, und diese geprüft wurde, ließ man mich tatsächlich fünf Monate lang in dem Kloster leben, als neutraler Beobachter. Es waren wohl die fünf merkwürdigsten Monate, die ich je erlebt habe. Zum einen ließ man es mich immer wieder spüren, dass ich kein Mitglied des Ordens war, zum anderen behandelten mich alle zuvorkommend und freundlich, wie es sich als Gastgeber geziemt. Mir wurde ein kleines Zimmer zugewiesen, welches, Hesinde sei dank, ein kleines Schreibpult besaß. Innerhalb der Klostermauern konnte ich mich fast frei bewegen, allein, es war mir strengstens verboten, des Nachts aus meinem Zimmer zu gehen (als ich es einmal versuchte, bemerkte ich, dass die Zimmertür von aussen abgeschlossen war). Es gab noch verschiedenste andere Ge– und Verbote, die ich aber an dieser Stelle nicht wiedergeben möchte.

 

Ich machte mich sofort an die Arbeit. Bei meinen Befragungen aber stieß ich auf eine Wand des Schweigens. Man machte mir deutlich, dass ich auf mich selbst gestellt war und man nicht gewillt war, mir wirklich weiterzuhelfen. Es gelang mir schließlich, dass man mir einige Schriften aus der Ordensbibliothek zur Verfügung stellte, unter anderem eine Abschrift der „Lex Boronia“, der heiligen Ordensschrift. Wie sich später herausstellen sollte, war es eine gekürzte Fassung. Und es war nicht das einzige Mal, wo ich das Gefühl hatte, nur an der Oberfläche zu kratzen. Es war wirklich merkwürdig, zum einen schien es schon so zu sein, dass der Orden sich nach aussen ein wenig öffnen wollte (sonst hätten sie mich wohl niemals bei ihnen leben lassen), zum anderen war man sehr darauf erpicht, soviel wie möglich vor mir geheim zuhalten. Und bei Phex, das ist ihnen wahrlich gelungen. Herrin, ist vielleicht dies meine Aufgabe auf Dere, wie sie ein jeder Sterblicher hat, das Geheimnis der Golgariten zu lüften?

 

Es war eine sehr lehrreiche Zeit in welcher ich viel zu sehen bekam. Als ich nach Ablauf meiner Frist die Portale des Klosters durchschritt, wurde ich das Gefühl nicht los, das ich bloss einen Zipfel des Schleiers gelüftet hatte, der auf dem geheimnisvollen Orden liegt. Doch Ihr, werter Leser, werte Leserin, haltet nun meine Studie über den Orden des Heiligen Golgari in den Händen, die auf der Studie meines geschätzten Collega Selphyr Sunderglast und meinen Erfahrungen während meiner Zeit bei den Golgariten basiert. Diese Studie wurde von der Ordensgroßmeisterin Borondria persönlich durchgeschaut, korrigiert und für gut befunden.